

Ihr Lieben,
in unserer AliSa #derkraichgauistmehr – Reihe sprechen wir mit Personen, die auf ganz unterschiedliche Art und Weise im Kraichgau aktiv sind und sich für diesen einsetzen – ganz nach dem Motto #derkraichgauistmehr.
Unser erster Beitrag im Jahr 2022 zu dieser Reihe beschäftigt sich mit der fünften Jahreszeit! Für viele Fasnachtsbutze waren die letzten zwei Jahre unerträglich: keine Prunksitzung, kein Umzug, keine Büttenreden, keine Feier in geselliger Runde, keine Kostüme! Auch in diesem Jahr muss wieder auf Vieles verzichtet werden.
Wir haben uns mit zwei faschingsverrückten Gruppen ausgetauscht:
- Die kleinen Feiglinge aus Malsch
- Kolpingsfamilie aus Eppingen
Wer dahinter steckt, erfahrt ihr im folgenden Interview, das wir (leider nur) per E-Mail durchführen konnten.
Wir hoffen dieser #derkraichgauistmehr-Beitrag bringt den ein oder anderen wenigstens ein bisschen in Faschingsstimmung.
Viel Spaß beim Lesen!
- Wie heißt ihr? / Wer seid ihr?
Kleine Feiglinge: Die „Kleinen Feiglinge“ aus Malsch bei Wiesloch. Wir sind eine reine Frauenfaschingsgruppe (zwischen 25 -35 Jahre alt), genauer gesagt eine Fußgruppe. Die meisten Mädels von uns haben oder spielen immer noch Handball oder sind eng mit dem Handballsport verbunden. Neben dem Handball sind die Freundschaften auch über die Karnevalsgesellschaft KaGe Blau Rot Malsch entstanden. Einige von uns haben jahrelang an den Prunksitzungen von klein auf teilgenommen (verschiedene Tanzgruppen ab etwa 6 Jahren) oder waren Faschingsprinzessin.
Kolpingsfamilie: Wir sind die Kolpingsfamilie aus Eppingen: Ein katholischer Sozialverband, der weltweit verbreitet ist. Unser Hauptaugenmerk liegt auf Jugendarbeit/-freizeiten, Kindergruppen und auf Erwachsenenbildung.
2. Wann wurdet ihr gegründet?
Kleine Feiglinge: 2006
Kolpingsfamilie: 1923, nächstes Jahr haben wir großes Jubiläum!
3. Was macht ihr außerhalb der 5. Jahreszeit?
Kleine Feiglinge: Fasching nimmt einen großen Teil unserer Freizeit in Anspruch. Bei uns beginnen schon im Oktober die Vorbereitungen (Kostüme basteln, Ideen sammeln) Ab dem 11.11. geht es dann richtig los mit regelmäßigen Treffen.
Kolpingsfamilie: Wie bereits erwähnt, betreuen wir hauptsächlich verschiedene Jugendgruppen, organisieren verschiedene Freizeiten bzw. Zeltlager, auch zu unseren befreundeten Kolpingsfamilien. Außerdem führen wir verschiedene Projekte in der Erwachsenenbildung durch. In Eppingen sind wir im ganzen Jahr aktiv, präsent und bei jedem Fest dabei. In den letzten Monaten war auch ein Teil der Kolpingsfamilie (Hauptsächlich Männer im Alter zwischen 25 und 35 Jahren) immer mal wieder im Ahrtal, um nach der katastrophalen Flut letzten Sommer bei Aufräumarbeiten zu helfen. Daraus hat sich ein freundschaftliches Verhältnis zu einer Kolpingsfamilie vor Ort entwickelt, mit denen auch unter der Zeit regelmäßig Kontakt gehalten wird.
4. Was bedeutet Fasching für euch?
Kleine Feiglinge: Die meisten von uns sind mit Fasching aufgewachsen und groß geworden, wir haben schon im Kinderwagen mit unseren Eltern am Mälscher Faschingszug teilgenommen. Wir haben Fasching in die Wiege gelegt bekommen und es gehört einfach dazu. Die letzten zwei Corona Jahre waren für uns besonders schwer zu ertragen, da die Faschingssaison nicht stattfinden konnte. Fasching bedeutet für uns Ausgelassenheit, Spaß, Tradition, Freundschaften über Jahre hinweg.
Kolpingsfamilie: Da Eppingen überwiegend evangelisch ist und war, ist die Stadt noch nicht immer als Faschingshochburg bekannt. Die früheste Faschingsveranstaltung war wohl in den 1920er Jahren. Mit Gründung der Kolpingsfamilie Eppingen wurde das Faschingsleben in Eppingen zu einer richtigen Tradition. Deshalb ist gerade Fasching für uns (aber auch mich persönlich) ein sehr wichtiger Teil der Arbeit. Ich bin in einer faschingsverrückten Familie groß geworden, die auch alle in der Kolpingsfamilie aktiv waren und sind. In der Kolpingsfamilie wurde Fasching erst intern gefeiert, bis es dann in den 80ern größer wurde und schließlich im Pfarrheim mit ca. 200-300 Menschen gefeiert werden durfte. Irgendwann in den 90ern – ich glaube 1996 oder 1997- gab es der Brandschutz nicht mehr her, es wurden zu viele Leute erwartet und so musste die Location verlegt werden. Die Veranstaltung am Faschingssamstag wurde von jetzt an in die Eppinger Stadthalle verlegt.
5. Welche Veranstaltungen macht ihr an Fasching?
Kleine Feiglinge: Wir nehmen seit 2006 am großen Faschingsumzug, der immer am Faschingssonntag stattfindet teil. Wir sind eine Fußgruppe.
Kolpingsfamilie: Faschingssamstag findet in der Halle eine Faschingsparty statt, mit Liveband und unserem Programm: Nicht die typische Prunksitzung, sondern eben typisch Kolpingsfasching, ein bisschen verrückt und individuell. Unser Männerballett tritt auf und meistens sind von befreundeten Gruppen – z.B. aus Massenbachhausen oder Bruchsal – Guggemusiker zu Gast. Jedes Jahr gibt es ein anderes Motto – das ist uns auch sehr wichtig. Die Halle wird nach diesem Motto geschmückt und es gibt kaum einen Gast, der sich nicht passend zum Motto verkleidet. Außerdem findet sonntags unser Leiergassenumzug statt, zur Mittagszeit um 14 Uhr, absolut familienfreundlich, also gerne schon fürs kommende Jahr vormerken. Montags gibt es dann auch noch unseren Rosenmontagsball, auch in der Stadthalle. Nicht ganz so groß wie der Faschingssamstag, aber auch ein schönes Fest mit DJ.
6. Gibt es eine Tradition, die für euch typisch ist?
Kleine Feiglinge: Da wir eine Fußgruppe sind, werden wir nach unseren Kostümen bewertet. Unser komplettes Kostüm ist selbstgemacht, wobei unserer Kopfbedeckung unser Hingucker ist. Die Kopfbedeckung ist sehr auffällig und aufwändig gestaltet. Zum Frühstück gibt es am Faschingssonntag selbstgemachten Eierlikör oder Nutellaschnaps, bevor es dann an die aufwendige Gesichtsbemalung geht.
Kolpingsfamilie: Da kann ich für mich persönlich nur sagen: der Leiergassenumzug. Er hat persönlich was mit meiner Familiengeschichte zu tun. Mein Opa Lothar Auchter und sein Kumpel Ernst Wieser zogen früher mit Frauen, Kind und Kegel verkleidet durch die Straßen und feierten ihre private Faschingsfeier. Natürlich war auch Tradition, dass die Frauen irgendwann die Kinder nach Hause brachten und die Männer alleine noch weiterfeierten. 1997 war dann Peter Wieser (jüngster Sohn von Ernst Wieser) mit einer Jugendgruppe unterwegs und von da an, fand der Leiergassenumzug jedes Jahr statt: Nicht gleich als großer Umzug, die ersten Jahre tatsächlich nur so etwa 20 Personen, bis der Umzug langsam wuchs. Früher konnte jeder der wollte noch ohne Anmeldung mitlaufen, mit seinem eigenen Wagen. Egal ob der Bollerwagen, der geschmückte Traktor, Leiterwagen, Guggenmusik oder Kinderwagen: Jeder ist willkommen (natürlich auch als Zuschauer). Das ist eine absolute Besonderheit. Es laufen nicht nur Faschingsgruppen und –vereine mit, sondern auch Privatpersonen und Familien. Früher hat man sogar für spontane Teilnehmer vorher schon Kostüme zu Reserve gebastelt, damit keiner „einfach so“ mitlaufen musste. Es war alles ein bisschen anarchisch, aber absolut schön und familientauglich. Seit dem Hexenkesselunfall 2018 (der beim Nachtumzug passierte) gibt es verschiedene Auflagen: unter anderem muss man sich als Teilnehmer vorher anmelden. Dabei ist der größte Organisator Peter Wieser, der bei der Umstrukturierung des Umzugs einen großen Anteil hat und ein junges Team um sich aufbaut!
7. Wie kommt ihr jedes Jahr auf ein neues Motto? / Wer hat die Ideen?
Kleine Feiglinge: Jeder kann Ideen oder Vorschläge einbringen, aber wir haben einen ganz kreativen Kopf in unserer Gruppe, Lisa. Lisa war schon als Kind sehr kreativ und hat sich Kostüme selbst gebastelt. Inspirieren lässt sie sich durch Film, Fernsehen, Modeschauen.
Kolpingsfamilie: Wir treffen uns mit einer kleinen Arbeitsgruppe immer um den 11.11.! Das Motto hat selten etwas mit dem aktuellen Geschehen in Politik und auf der Welt zu tun. Das einzige Motto was schon viele Jahre klar war: Für 2021 „Kolpings kleine Gartenschau“ passend zur Gartenschau in Eppingen, die ja nicht stattfinden konnte und so das Motto auch hinfällig wurde. In anderen Jahren gibt es eine Liste mit verschiedenen Mottos und es wird dann in mehreren Wahlgängen der Sieger ermittelt.
8. Wenn man an Fasching und Karneval denkt, kommt den meisten nicht sofort der Kraichgau in den Sinn, oder?
Kleine Feiglinge: Natürlich sind Köln, Düsseldorf oder Mainz bekannter für Fasching aber auch im Kraichgau gibt es verschiedene Karnevalsvereine. Die Karnevalsgesellschaft Blau Rot Malsch e.V. gehört zum verband Badisch Pfälzische Fastnacht. Unsere Karnevalsgesellschaft umfasst einen Elferrat mit Garde und einem jährlich wechselnden Prinzenpaar. Welches am 11.11. offiziell für die kommende Faschingskampagne die Regierung übernimmt, so erhält das amtierende Prinzenpaar den Rathausschlüssel von der Bürgermeisterin überreicht und erst am Aschermittwoch übernimmt die Bürgermeisterin wieder ihr Amt. Solange hat das Prinzenpaar das sagen in Malsch Unser Faschingsumzug ist für seine Originalität weit über Malsch hinaus bekannt. Jedes Jahr kommen unzählige Besucher um dem närrischen Treiben zuzusehen. Jede Gruppe ist sehr bemüht bei ihren Kostümen oder ihren Motivwagen, da jedes Jahr eine Preisverleihung für den schönsten Wagen und für das schönste Kostüm stattfindet. Während dem Umzug werden kleine Tanzeinlagen oder LaolaWellen mit den Zuschauern gemacht, Bonbons geworfen und Helau gerufen. Unter den Zuschauer gibt es mehrere Preisrichter, die jeder Gruppe Punkte verteilen können. 10 Punkte sind die Höchste Punktzahl. Die Punkte werden am Abend zusammengerechnet und somit wir die Prämierung festgelegt. Durch die Prämierung entsteht auch etwas Ehrgeiz für die Gruppen, da natürlich jeder gerne erster werden möchte. Die Prämierung findet abends in der Letzenberghalle statt. Hier kommen nochmal alle teilnehmenden Gruppen zusammen und fiebern der Prämierung entgegen. Unsere Faschingsgruppe hat die letzten Jahren immer den ersten Platz gemacht, worauf wir unglaublich stolz sind.
Kolpingsfamilie: Der kraichgauer Fasching ist nicht so ein bekannter Begriff wie zum Beispiel die alemannische Fasnet, aber einzelne Städte und Dörfer hier in der Region haben doch ihre eigenen und ganz besonderen Traditionen, die dann wieder über die Grenzen hinaus bekannt sind.
9. Was ist euer Ruf (Helau, Alaaf…) und dessen Bedeutung?
Kleine Feiglinge: Helau, die Bedeutung ist gar nicht so bekannt, aber wir freuen uns es bald wieder rufen zu können. Übrigens wird Helau auch zu jeder Begrüßung über die Faschingszeit gerufen, nicht nur beim Umzug.
Kolpinsgfamilie: Hmm, Narri Narro (stammt ja ursprünglich eher aus dem Freiburger Raum), während des Leiergassenumzugs rufen wir aber auch „Leier“ – „Gasse“ im Wechselgesang, manchmal rufen wir auch „HELAU“ oder „hellblau“– es wird eigentlich überall geklaut; sogar eine Stimmungsrakte ist dabei.
10. Was darf an Fasching nicht fehlen?
Kleine Feiglinge: Ganz klar der Spaß, gute Laune und die Ausgelassenheit. Aber in unserem Weinort Malsch, darf auch der Wein nicht fehlen. Verkleidung ist natürlich selbstverständlich. Hier in unserem Dorf feiern Alt und Jung zusammen bis in die Morgenstunden.
Kolpingsfamilie: Ohne Motto kein Fasching in Eppingen! Dazu gehören natürlich auch gute Musik und die berühmte Klopfermaschine (macht Spaß und spart uns das Aufräumen). Achja und der Heringsweck…
11. Auf was freut ihr euch am meisten, wenn Fasching wieder „normal“ gefeiert werden darf?
Kleine Feiglinge: Auf die Unbeschwertheit und auf das Zusammensein mit allen, die genauso faschingsverrückt sind wie wir. Bei uns wird jedoch nicht nur der Faschingsumzug groß gefeiert. Richtige Fastnachter von Malsch sind vom Schmutzigen Donnerstag bis Rosenmontag mehr unterwegs als zu Hause. In dieser Zeit wird allerhöchstens zu Hause geschlafen, bevor es am nächsten Tag wieder weiter geht. Auch die Wochen zu vor findet von den einzelnen Vereinen jeweils ein Kappenabend statt.
Kolpingsfamilie: Das ist leicht: Eine volle Halle und viele Zuschauer und Teilnehmer beim Leiergassenumzug.
12. Wollt ihr allen, die Fasching genauso vermissen wie ihr, noch eine Botschaft mitgeben?
Kleine Feiglinge: Haltet durch! Die nächste Faschingskampagne wird mit noch mehr Euphorie erwartet. Der Besuch unseres Umzugs lohnt sich 19.02.2023 schonmal vormerken. Auf die Fastnacht 2023 ein dreifach donnerndes Helau, Helau, Helau.
Kolpingsfamilie: Des was geht trotzdem mache! Und wenn man nur mit dem Partner oder den Kindern verkleidet durchs Dorf/die Stadt läuft. Im erlaubten Rahmen und was man sich traut und wenns nur mit seinem Mann im Wohnzimmer aufm Tisch tanzen ist. Aber auf keinen Fall ausfallen lassen! Nächstes Jahr freuen wir uns dann auf viele Teilnehmer und Zuschauer, vor allen Dingen beim Leiergassenumzug.
Wir bedanken uns bei den kleinen Feiglingen und der Kolpingsfamilie Eppingen, besonders bei Eva Trunk und Anna Mairhofer, die auch zu einem Mail- und Telefon-Interview gerne und sofort ‚ja‘ gesagt haben. Wir hoffen, bald wieder den Fasching in Eppingen oder den Umzug in Malsch live und in Farbe miterleben zu können.
Bis dahin bleibt gesund!
Liebe Grüße
Alina und Sarah
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PPS: Die Bilder wurden uns von den Kleinen Feiglingen und Kolping Fasching zur Verfügung gestellt




